Willi Senft. 2001. Hungrige Schneelöwen: Roman der Geschichte und Lebensweise der Sherpas. Bern, München: Edition Hans Erpf. 414 S. ISBN 3-905520-86-9

Rezension in: Nepal Information, 88 (Dezember 2001)

Die Erforschung der Geschichte und Kultur der Sherpas hat Mitte der 1960er Jahre ein deutsches Forschungsteam in das Siedlungsgebiet der Sherpas in Solu-Khumbu (Ostnepal) geführt. Dem Umstand, daß ich damals zunächst als Trägerin zu diesem Team gestoßen bin, ist meine Umsiedlung nach Deutschland zu verdanken. Mit großem Interesse habe ich daher jetzt den Roman von Willi Senft gelesen.

Der Autor versteht es, in einer packenden Weise die Zuwanderungsgeschichte meines Volkes aus Kham in Osttibet in die Region südlich der Mount Everest, das harte Leben dort und die Anpassung der Sherpas an die moderne Welt zu erzählen. Senft zeigt, daß er sich sehr intensiv mit den Forschungsergebnissen jenes Teams der 1960er Jahre beschäftigt hat. In sprachlich geschickter Form stellt er die nüchternen Fakten der Zuwanderungsgeschichte mittels eines lebendigen Dialogs von Akteuren dar. Immer wieder wird deutlich, wie sehr sich der Autor mit den Sherpas und ihrer Kultur beschäftigt hat. All die vielen kleinen Details in Bezug auf Denken und Verhalten der Sherpas, die am Rande ständig mit einfließen, belegen, seine tiefe Verbundenheit und sein Verständnis für die Geschichte und Kultur meines Volkes.

Dies gilt nicht nur für wichtige historische Ereignisse wie Migrationen oder wirtschaftliche Ereignisse wie die Einführung der Kartoffel oder der beginnende Tourismus. Ein ganz besonderer Wert des Buches liegt gerade in den kleinen gesellschaftlichen und kulturellen Details, die durch geschickte Dialoge fiktiver Personen immer wieder verdeutlicht werden. Selbst zwischenmenschliche Spannungen und Vorurteile, welche die Sherpas natürlich wie alle Menschen auch besitzen, werden dabei deutlich. Mit anderen Worten, die Leser erhalten ein umfassendes Bild der Sherpa-Gesellschaft, der Lebensweise der Sherpas mit all ihren Problemen und Schönheiten, der zwischenmenschlichen Beziehungen, der Religion und Glaubenswelt.

Wer das spannend geschriebene Buch von Willi Senft gelesen hat, mag vielleicht nicht ein zitatreifes wissenschaftliches Werk verinnerlicht haben. Das ist ja bei der gewählten Darstellungsweise auch gar nicht beabsichtigt. Wer jedoch einen Einblick in die Denk- und Lebensweise meines Volkes gewinnen möchte, der auf historischen Fakten und liebevoll detaillierter Beobachtung aufbaut, dem ist dieses Buch wärmstens zu empfehlen.