Lhakpa Doma Salaka-Pinasa Sherpa |
Sherwa mi - viel' Steine gab's und wenig Brot: Eine Sherpa-Tochter erzählt. Bad Honnef: Deutsche Stiftung für internationale Entwicklung 1994. Sherpa-Weisheiten Eltern kann man nicht kaufen. Deshalb muß man ihnen immer dankbar sein. Wenn man die Kinder schlecht behandelt, hat man eines Tages keine Kinder mehr. Wenn jemand sehr böse und zornig ist, wird ihm niemand helfen, wenn er einmal in Not gerät, und er wird in Einsamkeit zugrunde gehen. Ein schwangere Frau darf nicht auf blühenden Feldern herumlaufen, weil es dort sonst zu einer Mißernte kommt. Wenn eine schwangere Frau einen Korb für das zu erwartende Kind herstellen möchte, so sollte sie dies möglichst selbst erledigen und nicht andere Leute damit beauftragen. Dies ist eine gute Voraussetzung, daß sie ein gesundes und kräftiges Kind zur Welt bringen wird. Wenn eine Frau dunkle Flecken auf der Nase hat, dann zeigt dies an, daß sie schwanger ist. Ein weiteres Zeichen ist, wenn sie sich übergeben muß. Wenn aus den Brüsten einer Frau klebrige Flüssigkeit austritt, dann ist sie mindestens im sechsten Monat schwanger. Kleinen Kindern sollte man schon früh die Ohrläppchen durchbohren. Dies gilt als eine gute Vorkehrung gegen Krankheiten. An dem Körbchen, in dem die kleinen Kinder liegen, werden innen am Kopfende Bärentatzen befestigt. Außen wird der Korb mit Stacheln von Stachelschweinen geschmückt. Beides dient der Geisterabwehr. Aus dem gleichen Grund wird dem Baby ein von einem Schamanen gefertigtes Amulett um den Hals gehängt. Außerdem werden die Hand- und Fußgelenke des kleinen Kindes mit Eisenringen geschmückt. Um den Hals hängt man oft auch ein Kettchen mit kleinen eisernen Nachbildungen von Handwerksgeräten. Dadurch kann sichergestellt werden, daß das Kind nicht erkrankt und somit überlebt. Kinder werden oft von Männern ausgeschimpft. Sie würden in einem Jahr nur eine Kartoffel tragen, in zehn Jahren also zehn Kartoffeln. Die Kinder seien verantwortlich für die Verschuldung der Eltern, weil diese soviel für ihre Ernährung und Kleidung ausgeben müßten. Die Männer sagen daher: Schade für meine Knie, schade für die Scheide deiner Mutter. Man soll nicht geizig sein. Vor allem Frauen haben dann einen sehr schlechten Ruf. Bei abnehmendem Mond sollte man nicht heiraten. Solche Ehen gehen meistens sehr rasch wieder zu Bruch. Verheiratete sollten nicht fremdgehen, weil sonst der Ehepartner erkrankt. Ehemänner sollen ihren Frauen das Kopfkissen hüten. Geschwister sollen nicht gemeinsam ihren Urin ablassen, da sonst das Blut in Mutters Leib austrocknet. Man sollte niemanden erschrecken. Er könnte sonst sterben. Wenn eine solche Person vor Schreck in Ohnmacht gefallen ist, dann kann man zu einer Quelle gehen und mit einer Sichel dreimal am Rand der Quelle kratzen, wobei man den Namen der betroffenen Person ausruft. Dann füllt man drei Kellchen Wasser in ein kleines Bambusväschen. Anschließend gibt man dem Kranken dies zu trinken. Wir glauben dann, daß der la (die Lebensseele) in seinen Körper zurückkehrt. Nutzt dies nicht, so kann nur noch ein Schamane nachts einen kurim aufführen. Wenn Eulen heulen, stirbt innerhalb des nächsten Jahres jemand. Wer auf einem Leichenverbrennungsplatz schläft, muß bald sterben. Man läuft nicht alleine nachts auf Leichenverbrennungsplätzen herum. Eine Ausnahme bilden Mönche und Nonnen während ihrer Prüfungen. Wenn man alleine an einem Leichenverbrennungsplatz vorbeigeht, sollte man dreimal ausspucken und dreimal Erde in Richtung des Verbrennungsplatzes werfen. Wenn man eine Paßhöhe überquert, muß man Steine, Blumen oder was man gerade findet, auf den dort üblichen Stapel legen und dabei aussprechen: "Keke soso lha gyelwo!" (Die Götter seien gelobt!) Die Hirten auf den Almen dürfen kein schmutziges Geschirr mit sich herumschleppen, da sonst leicht Tiere abstürzen oder die Hirten selbst von einer Krankheit betroffen werden können. Wenn die Hirten abends an einem Rastplatz ankommen, müssen sie sich früh am nächsten Morgen waschen und ihre Gebete verrichten. Kinder dürfen den Eltern keine Widerworte sagen, da sie sonst später für jedes Widerwort einen Blutklumpen ausspucken werden. Kinder dürfen nicht schielen, da ihnen sonst später nach dem Tode mit Eisenhaken die Augen auseinandergezogen werden. Man darf in den Wäldern nicht so laut herumschreien, da man sonst verrückt werden kann. Man darf nicht wütend werden, weil man sonst Unglück über die Familie hereinbringt. Kinder dürfen nicht untereinander zanken, da dies als ein sehr schlechtes Zeichen gilt. Wer einen Regenbogen berührt, wird krank. Ehefrauen dürfen ihren Männern nicht mißtrauisch hinterherspionieren, da es sonst passieren kann, daß diese nicht wieder nach Hause zurückkehren. Man darf im Schlaf nicht mit den Zähnen knirschen, weil man dann die Verwandtschaft auffrißt. Man darf nicht über heiße Speisen pusten, da man sonst die lha (Götter) vertreibt, die sich dort aufhalten. Insbesondere Mädchen sollen beim Laufen nicht zu hart auftreten, weil die Erde die Mutter ist, und die Kinder dann auf dem Gesicht der Mutter herumtreten. Mädchen dürfen nicht pfeifen. Mädchen sollen nur mit geschlossenen Beinen knien. Kinder sollen nicht vor dem Gesicht der sitzenden Eltern vorbeigehen sondern immer hinter ihrem Rücken. Mädchen dürfen keinen Ochsenpflug führen, allenfalls nur solange sie noch ihre Milchzähne haben. Eine hohe Stirn gilt als Schönheitsideal. Weiße Flecken unter den Fingernägeln bedeuten, daß man bald ein neues Kleid bekommt. Weiße Flecken auf den Zähnen deuten an, daß man demnächst einen Goldzahn bekommt. Eine Braut darf in der Hochzeitsnacht nicht tanzen. Junge Mädchen vergleichen untereinander, ob ihre Brüste weit auseinanderstehen oder eng zusammen sind. Im ersteren Falle werden sie weit von zu Hause wegheiraten, im letzteren bleiben sie in Heimatnähe. Zum tihar-Fest, dem traditionellen nepalischen Neujahrsfest im Herbst, muß gutes Essen aufgetischt werden. Ansonsten besteht nämlich die Gefahr, daß es das ganze Jahr über nicht genug zu essen geben wird. An den drei Tagen des Festes soll man auch kein Gras schneiden und keine Äste abbrechen, weil diese Pflanzen sonst bluten. Blumen werden jedoch gepflückt. Am ersten Tag werden damit die Kühe und Melkgeräte geschmückt, am zweiten Tag die Ochsen und am dritten Tag die Hunde. An diesen drei Tagen dürfen auch die Kami, Damai, Rai, Tamang usw. bei den Sherpa betteln kommen. Dies ist vorbei, wenn am dritten Tag die Sonne auf den Fluß scheint. Man darf nicht schadenfroh sein, da man sonst leicht vom Anlaß dieser Schadenfreude betroffen wird. Über hohe Persönlichkeiten wie Lamas oder Schamanen soll man nichts Schlechtes reden, da diese das selbst bemerken können. Ein Regenbogen, der um die Sonne herumsteht, bringt Glück. Ein Mädchen muß drei Tage, nachdem es nach der Eheschließung in das Haus ihres Mannes umgezogen ist, wieder nach Hause zurückkehren. Dies nennt man kajen logup (Sternwiederkehr). Bei abnehmendem Mond darf kein Getreide gepflanzt werden. Wenn man die Pflanzen den Wildgänsen zeigt, dann wachsen die Pflanzen wie die Wildgänse fliegen. Wenn sich jemand auf eine längere Reise begibt, darf er nicht als erstes jemandem mit einem leeren Korb oder Gefäß begegnen, weil sonst die Reise von Anfang an unter einem sehr schlechten Vorzeichen steht. Eine Vorkehrungsmöglichkeit ist es, Kinder zum Wasserholen wegzuschicken, denen man dann beim Verlassen des Hauses begegnet, wenn sie mit dem vollen Wassertopf zurückkehren. Unmittelbar an der Quelle darf man sich nicht waschen oder seine Notdurft verrichten. Auch Tierkadaver dürfen dort nicht verbrannt werden, nur Weihrauch und Butter. Oberhalb von Quellen darf man keine Bäume fällen. Wenn man täglich mindestens dreimal betet, wird man nicht so schnell krank. Auch kann man davon reich werden. Wer eine gute Ernte erzielen will, der muß das Regenfest mitfeiern. Wenn die Nachgeburt mit einer Quelle in Berührung kommt, dann gibt es kräftigen Regen, weil die Geister zornig werden. Wenn jemand verstorben ist, dann müssen weiße Fahnen (chedad) neben dem Haus aufgehängt werden, damit sich der Geist der verstorbenen Person dahinter verstecken kann. Ein Leichentuch darf nicht als Gebetsfahne oder für Opferzeremonien benutzt werden. Die Verstorbenen müssen möglichst bald nach dem Tod gefesselt und in Säcke eingenäht werden, damit sie nicht davonlaufen. Der Name verstorbener Personen darf nicht ausgesprochen werden, weil diese sonst erschrecken. Sie werden daher als tongba oder tongma (leerer Korb) bezeichnet, je nachdem, ob es sich um einen Mann oder um eine Frau handelt. Wenn man jemanden vergiftet und diese Person stirbt, dann kann man reich werden. Außerdem wird am eigenen Todestag die Sonne scheinen. Wenn Regen und Sonnenschein einander ständig abwechseln, dann stirbt in der Nähe ein Rai. Wenn man einen schlechten Traum gehabt hat, dann freut man sich darüber, wenn am nächsten Tag jemand vorbeikommt. In diesem Fall ist nämlich davon auszugehen, daß der böse Traum diese andere Person betrifft, ansonsten ist er auf die eigene Familie zu beziehen. Wenn man träumt, daß ein Baum umstürzt, dann stirbt ein Erwachsener. Bricht lediglich ein Ast ab, so stirbt ein Kind. Wenn man eine Sternschnuppe sieht, dann wird in der Richtung, wo man sie gesehen hat, jemand sterben. Daher beten die Sherpa beim Erscheinen von Sternschnuppen immer: "Om mani padme hum." Wenn die rechte Hand juckt, muß man etwas bezahlen; wenn die linke Hand juckt, bekommt man Geld. Wenn ich niese, spricht jemand schlecht über mich. Ein unehrlicher Mensch stellt viele Fragen. Lügen nützen nur einen halben Tag. Wer Bettlern etwas gibt, wird reich. Wer viel betet, wird bestimmt in der Götterwelt wiedergeboren. Schuldscheine sollte man nicht verbrennen, da auf ihnen die Namen der Gläubiger und Schuldner aufgeführt sind. Die Leute glauben nämlich, daß sie früher sterben, wenn das Papier mit ihren Namen verbrannt wird. Schulden muß man auch nach dem Tode weiterzahlen. Wenn jemand Brücken oder Tempel baut oder für die Verstorbenen viel Geld opfert, erwirbt er sich viele Verdienste. Wenn ich jemanden in guter Absicht besuche und gehe dabei nach Osten, dann nehme ich drei Pflanzen oder Zweige, die ich unterwegs abbreche, lege sie mit dem Kopf in Richtung Osten auf die Erde und decke drei Steine darauf. Bei anderen Himmelsrichtungen gilt dies entsprechend. Damit mache ich den Geistern von Verstorbenen, die um mich herumschwirren klar, daß sie mir nicht folgen sollen. Dies ist jedoch keine sichere Methode, da die Geister der Verstorbenen schon bei der zu besuchenden Person sein können, noch ehe ich den Gedanken zu Ende gedacht habe. Ein Mann ist ein Mann, auch wenn er ein morscher Baumstamm ist. Lieber eine kluge Tochter als einen dummen Sohn. Frauen dürfen sich morgens, wenn sie aufstehen, nicht recken und strecken. Man soll nicht in Gegenwart anderer essen und trinken, ohne ihnen etwas abzugeben. Sonst läuft diesen nämlich das Wasser im Munde zusammen und man bekommt Bauchschmerzen. Wenn eine Frau schwanger ist, darf ihr Mann keinen Leichnam tragen, da sie sonst eine Fehlgeburt erleiden wird. Wenn jemand gestorben ist, darf eine Katze den Leichnam nicht berühren, weil der Verstorbene sonst wieder aufsteht. Wenn man hört, daß jemand gestorben ist, darf man keine Erdarbeiten mehr verrichten, weil es heißt, daß sonst die Erde mitstirbt. Ein Leichenträger darf den Leichnam nicht so tragen, daß dessen Gesicht dem Kopf des Trägers zugewandt ist. Wenn eine Leiche vom Haus zum Verbrennungsplatz getragen wird, darf niemand am Wegesrand stehen. Wenn der Rauch vom Verbrennungsplatz zum Dorf zieht, wird in näherer Zukunft wieder jemand aus dem Dorf sterben. Wenn ein Junge geboren wird, wird rechts der Haustür ein Bäumchen aufgestellt, wenn ein Mädchen geboren wird, links der Tür. Wenn ein neues Haus gebaut wird, dann wird vor dem Decken des Daches auf dem Speicher ein kleines mit weißen Fahnen und drei Butterstellen geschmücktes Bäumchen aufgestellt, das dann für immer dort oben stehen bleibt. Haustüren sollten stets auf der Ostseite des Hauses angebracht werden. Fingernägel müssen nach dem Schneiden immer in der Erde vergraben werden, da sie sonst nach dem Tode rascheln und den Menschen Angst machen. Kinder dürfen eine Frau im Wochenbett und ihr Baby bis zum siebten Tag nicht berühren, weil sie sonst dumm werden. Man darf keine Hunde treten. Um Geister abzuwehren, muß man Salz ins Feuer werfen. An bestimmten Tagen darf man keine Sachen aus dem Haus geben. Welche Tage betroffen sind, hängt meist von der Familie und der Aussage des Schamanen ab. In der Familie meines Großvaters durften keine Papierpflanzen enthäutet werden, weil sie beim Tod seines Bruders er stürzte bei der Suche nach Papierpflanzen ab einen Schwur geleistet hatte, über mehrere Generationen hinweg keine derartigen Pflanzen mehr zu enthäuten. Sherpa dürfen keine Schweine halten. Das bringt Unglück. Bei Kinderlosigkeit gehen die Frauen zum Womi Tso. Dort befindet sich eine große Steinplatte mit einer Vertiefung darin, in der schwarze und weiße Steine liegen. Die Frau ergreift ohne hinzusehen einen Stein. Diesen Stein muß sie nun in Stoff wickeln und Tag und Nacht bei sich tragen. Wenn es ein schwarzer Stein ist, bekommt die Frau dann ein Mädchen, handelt es sich um einen weißen Stein, wird sie einen Jungen gebären. Ein Jahr nach der Geburt geht die Frau mit dem Kind wieder zum Womi Tso, legt den Stein zurück und bedankt sich. Mein Vater war ein solches Kind, das erst zur Welt kam, nachdem meine Großmutter diese Steinzeremonie am Womi Tso vollzogen hatte. Opfergaben, die in den Womi Tso geworfen werden, dürfen nicht wieder herausgeholt werden. Wenn ein Kind häufig krank wird und weint, gibt man ihm einen neuen Namen, weil der alte nicht zu dem Kind paßt. Dann hört das Kind von selbst auf zu weinen. Wenn häufig Kinder gestorben sind, gibt man den Neugeborenen den Namen niederer Hindukasten. Dann werden sie nicht so schnell sterben. Wenn nachts ein Baby ständig schreit, dann kommen am nächsten Tag Leute mit sehr energischem Charakter vorbei. Babys darf man nicht am Bauch kitzeln, da dies eine Sünde wäre. Stattdessen gehen Erwachsene mit ihrem Kopf an den Bauch des Babys und pusten dort, so daß das Baby kräht. Noch ehe ein Kind das Licht der Welt erblickt, bemühen sich seine Eltern um Informationen über seine Zukunft. Das muß nicht unbedingt positiv für den künftigen Erdenbürger sein. Ich möchte dies an meinem eigenen Schicksal verdeutlichen. Als meine Mutter mit mir schwanger war, wurde eine sehr weise Nonne aus Khumbu herangezogen, um mein Horoskop zu bestimmen. Diese Nonne sagte aus, daß ich über gare chenbu (übernatürliche Kräfte) verfügen würde. Dadurch könne ich die ganze Familie auch etwas krank und arm machen. Erst wenn ich nach vielen Jahren wegginge, würde meine Familie zu Wohlstand gelangen. In der Tat verarmte unsere Familie im Laufe der Jahre immer mehr, weil ständig Tiere abstürzten, von wilden Tieren gerissen wurden, es zu Mißernten kam oder meine Eltern schlechte Geschäfte machten. Auch starben viele später geborene Geschwister. Mutter war dauernd krank und daher nicht in der Lage zu arbeiten, obgleich ihre Arbeitskraft dringend gebraucht wurde. Als ich dann heranwuchs und für ein Jahr bei einer anderen Familie als Magd arbeiten ging, dachte ich, daß es meiner Mutter jetzt besser gehen würde, da sie mir den Schicksalsspruch der Nonne immer als Begründung für das ganze Mißgeschick der Familie vorgehalten hatte. Die Leute, die ich dann, als ich bereits längere Zeit auf den Almen war, nach dem Befinden meiner Mutter befragte, erzählten mir jedoch, daß sie nun noch viel schlechter aussähe als zuvor. Offensichtlich war dies noch nicht mein vorausgesagter Weggang von zu Hause. Eine positive Veränderung trat für meine Familie in der Tat erst ein, als ich später nach Europa ging und bei meinen Heimreisen immer wieder Geld und gebrauchte Kleidung, die wir von Freunden geschenkt bekommen hatten, mitbrachte. Als wir 1990 meine Mutter einmal zu uns nach Deutschland zu Besuch holten, habe ich mich mit ihr nochmals über meine Lebensweissagung unterhalten. Sie war der Meinung, daß die Nonne damals doch durchaus in allen Punkten die Wahrheit vorausgesagt hatte, und lachte herzlich darüber. Zum Abschied sagte Mutter, daß sie selbst nun nur noch ein Jahr zu leben hätte. Ich antwortete ihr, das habe sie nun schon seit fast vierzig Jahren so erklärt. Ein Jahr später starb meine Mutter. Die Leute sagen, Mönche und Nonnen freuten sich, wenn jemand stirbt. Dies ist nicht ganz falsch, da die abzuhaltenden Zeremonien eine wichtige Einnahmequelle für die Mönche und Nonnen darstellen. Die Schwiegermutter glaubt, daß es an ihrer Schwiegertochter liegt, wenn sie selbst krank wird. Das hat dann zur Folge, daß sie die Schwiegertochter besonders schlecht behandelt. Frauen glauben, daß es am Kind liegt, wenn sie nach der Geburt häufig erkranken. So erinnere ich mich an einen Fall, daß eine Frau das Körbchen mit ihrem Baby immer dicht an Abhängen abstellte und so ein Unglück geradezu provozierte. Als meine Mutter die Frau zur Rede stellte, antwortete sie, es läge an dem Baby, daß sie in letzter Zeit ständig krank würde. Das Baby besäße übernatürliche Kräfte. Verwandte sollen bis zur dritten Generation nicht untereinander heiraten, da sonst die Großeltern erkranken. Wenn eine Frau neidisch auf eine andere Person ist, dann geht ihr Geist im Traum die Dinge holen, die sie gerne besitzen möchte. Um dies zu verhindern, bittet eine gutwillige Frau vor dem Einschlafen darum, ihr Geist solle nicht auf Wanderschaft gehen. Meine Mutter glaubte noch fest an diese Verhaltensregel; unsere Generation hat dies jedoch nicht mehr praktiziert. Eine mitten im Haus hängende Spinne bedeutet mag (Krieg). Die Affen sind die Großväter der Menschen. Daher darf man den Affen kein Leid zufügen. Als alle Leute ihrer Felder bestellten, sagte eine Tochter: "Mutter stirbt, und ich werde heiraten. Daher brauchen wir nicht zu säen." Als die Erntezeit kam, lebte die Mutter noch immer und die Tochter war nicht verheiratet. Da fragte sie die anderen Leute, ob das noch gehen würde, wenn sie jetzt noch säten. Sie ernteten nur Gelächter. |
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